Hier geschieht "Liebesarbeit"

Ich möchte erzählen, wie es mir erging in DDR-Zeiten: Meine Kinder habe ich 1982, 1984 und 1989 geboren. Es war in dieser Zeit selbstverständlich, dass fast alle ihre Kinder schon vor dem ersten Lebensjahr in die Krippen gaben und wieder arbeiteten - ein Ergebnis der hochgelobten Gleichberechtigung von Mann und Frau im Sozialismus. Wie oft beobachtete ich die weinenden Kleinen, die sehr früh morgens eilig und unachtsam zur Krippe gebracht oder gezerrt wurden....
Aber auch ich unterlag der Propaganda und hatte vor, Beruf und Kindererziehung zu vereinbaren. Zum Glück hatte ich damals eine tiefgreifende, menschliche Begegnung während meiner Zeit in der Studentengemeinde. Ein einziger Satz, den jemand aussprach, traf mich ins Herz und brachte mein sicheres Zukunftsgebäude ins Wanken: "Eine Mutter ist für ihr Kind die allerwichtigste Bezugsperson in den ersten Jahren. An keinem anderen Ort der Welt, in keinem noch so befriedigenden und gut bezahlten Beruf bist du so unersetzbar und existentiell wichtig, wie in diesen ersten Jahren bei deinem Kind! Hier geschieht die wichtigste Arbeit: Liebesarbeit! Friedensarbeit!" Meine Erfahrung in Psychiatrie und Psychotherapie als Therapeutin gab mir gleichzeitig eine wesentliche Einsicht:

Die tiefste Sehnsucht eines jeden Menschen ist die Suche nach Geborgenheit, Wärme, Nähe, Sicherheit und die Erfahrung, erwünscht und geliebt zu sein. Keine noch so gute und zeitaufwendige Therapie kann gut machen, was in den ersten Jahren nicht erlebt wurde!

Und trotzdem gab ich meinen Erstgeborenen im Alter von einem Jahr für vier Monate einer guten Freundin zur ganztägigen Betreuung. Ich war wieder schwanger und wollte nicht auf das Geld, welches man vom Arbeitgeber nach der Geburt eines Kindes bekam, verzichten.
Mein Mann brachte unseren Sohn zu meiner Freundin. Später, viel später erzählte er mir, dass unser Kleiner jeden Morgen weinte und nicht bleiben wollte.... Dabei hatten wir ideale Bedingungen: eine Freundin, die unserem Sohn vertraut war und die ihn als drittes Kind herzlichst aufnahm.
Hätte ich auch so gehandelt und hätte trotz des weinenden Kindes meine Entscheidung durchgezogen oder wäre ich meinem Herzen gefolgt?
Ich kann es nicht sagen, nur weiß ich heute mit Sicherheit, dass es die falsche Entscheidung war. Ich bedaure jeden Tag und jede Minute, die ich mit meinem Sohn nicht gelebt habe in dieser unwiederholbaren, wundervollen Zeit! Meine Einsicht aus dieser Erfahrung:

Das Kind sollte entscheiden, wann es so weit ist und das Bedürfnis hat, sich von der Mutter zu lösen und eigene Wege zu gehen.

Wir dürfen diese uneingeschränkte, hingebungsvolle Liebe des Kindes annehmen und spiegeln. Dafür braucht es als Geschenk von uns, unseren Schutz, unsere Wertschätzung, unseren Trost, unsere Geborgenheit und körperliche Liebe.
Wir dürfen diesen kleinen Menschen begleiten und uns in ihn einfühlen, ihn freilassen und vor allem: ihm vertrauen! Voraussetzung für diese Haltung aber ist eine fürsorgliche und liebevolle Zuwendung zu mir selbst. Es stellt eine Herausforderung dar, ohne äußere finanzielle und mentale Anerkennung bei seinem Kind zu Hause zu bleiben. Ich habe es bei meinen Kindern dann getan und fühle heute, dass es die erfüllteste und beglückendste Zeit meines Lebens war. Ich habe für mich gesorgt, ein Netzwerk um mich aufgebaut, welches mir erlaubte, auch an mich zu denken und meinen Bedürfnissen und Wünschen zu folgen, ohne meine Kinder deshalb zu vernachlässigen. Es gibt immer Alternativen zu dem einen Modell der Ganztagskrippenbetreuung. Hier ist unsere Kreativität und unsere Organisationsfähigkeit für das Leben angefragt!

Mama von drei mittlerweile erwachsenen Kindern und Oma, Physiotherapeutin